Nie wieder ist schon längst jetzt

26. Jan 2024

Vor 79 Jahren wurde am 27. Januar 1945 das KZ Auschwitz befreit. Nie wieder!

Diese Mahnung wird seit langem besonders am heutigen Gedenktag in eindringlichen Reden und ernsten Bildern in den sozialen Medien wiederholt.

Die gute Nachricht vorweg: Im vergangenen Jahr wurden in Sachsen-Anhalt gleich zwei neue Synagogen eingeweiht, erst die Weill-Synagoge in Dessau, dann die Neue Synagoge in Magdeburg. Es war eine Kraftanstrengung aller Beteiligten. In den letzten Wochen und Monaten sind die neuen Räume den Gemeinden hoffentlich ein Stück weit schon zu einem Zuhause geworden. Dass die Neubauten überhaupt erst notwendig waren, spannt den Bogen zum heutigen internationalen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus.

Vor heute 79 Jahren wurde am 27. Januar 1945 das KZ Auschwitz befreit. Nie wieder! Diese Mahnung wird seit langem besonders am heutigen Gedenktag in eindringlichen Reden und ernsten Bildern in den sozialen Medien wiederholt. Dass dies mehr Anspruch als Wirklichkeit ist, wird im Gespräch mit Jüdinnen und Juden deutlich – und das nicht erst seit dem Terrorangriff der Hamas und seinen Auswirkungen auf Jüdinnen und Juden in Deutschland. Drohungen in den Briefkästen jüdischer Gemeinden, Gewalt auf offener Straße, 24/7-Polizeischutz jüdischer Einrichtungen sind nur einige von vielen Erfahrungen sowie Auswirkungen von Antisemitismus, die zum Alltag von Jüdinnen und Juden in Deutschland gehören. 

Dazu kommt seit Jahren das Erstarken der AfD, die sich zwar als judenfreundlich ausgibt, aber nur um damit ihre Islamfeindlichkeit zu begründen. In der jüdischen Gemeinschaft gibt man sich an dieser Stelle keinen falschen Hoffnungen hin: „Erst sind es die Muslime, dann wir Juden.“ Antisemitismus unter Migrantinnen und Migranten ist ein Problem, Judenhass von rechts das noch größere.

Seitdem am 7. Oktober 2023 Terroristen der Hamas 1200 Israelis ermordeten und seit jetzt 112 Tagen mehr als 100 Menschen als Geiseln halten, heißt es: Nie wieder ist jetzt. Wieder Worte, wieder ernste Bilder in den sozialen Medien. 

Ansonsten: Oftmals dröhnendes Schweigen, ein Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge, Schmierereien voller Hass im (!) Magdeburger Justizministerium . Menschenketten und Mahnwachen vor Synagogen, Demos für die Freilassung der Geiseln und Solidaritätsbekundungen bestätigen als erfreuliche Ausnahmen die Regel.

Ob sich jetzt, wo hunderttausende Menschen auf die Straße gehen, um für eine bunte und tolerante Gesellschaft, etwas wandelt? Ob aus Worten und Bildern Handeln wird? Es ist zu hoffen. Denn: Nie wieder ist schon längst jetzt!

Saskia Lieske