Eine dreifache Schnur reißt nicht so schnell

15. Jun 2019

Trinität: So viele Menschen, so viele Glaubensweisen.

Ehrlich gesagt: Über die Entstehung der „Trinität“, jenem Kernstück des christlichen Glaubens, mit dem die besondere Weise der christlichen Gottes-Sicht beschrieben wird, gibt es tief greifende Theorien und Ansichten in vielfacher Unterschiedlichkeit. Und es ist über die Trinität in alter Zeit auch kräftig und kontrovers gestritten worden – bis heute finden sich davon Spuren in den christlichen Texten, in denen es um Gott, um Jesus Christus, um den Heiligen Geist geht, also jene drei, die das Christentum besonders prägnant markieren. Bei allem Gewicht, das über Jahrhunderte in diese Frage gelegt wurde, ist doch auch immer wieder deutlich gewesen: Wie ein Mensch Gott erfährt, ob als Geheimnis oder als Gegenüber, ob als Einzigartigkeit oder als Dreiheit, ob als Kraft oder als Schutz, ob als Theologie oder als Herzensbildung – das bleibt am Ende von Mensch zu Mensch immer unterschiedlich. So viele Menschen, so viele Glaubensweisen. Daneben hat christlicher Glaube immer den Wunsch, konkret zu werden: im Gegenüber zum Nächsten, aber auch im Gegenüber zu Gott selbst. Glaube will auch wissen und will es genau wissen. Glaube will auch sehen und erkennen. Glaube will nicht ins Leere spekulieren, sondern ein Gegenüber erkennen, zu dem der Glaube passt. Da kommt in der christlichen Tradition die Trinität zum Zuge, und jetzt am Sonntag, dem 16. Juni 2019, wird ihrer in besonderer Weise in den Gottesdiensten gedacht. Trinität bedeutet vor allem: Was der Glaube „Gott“ zu nennen gewohnt ist, unterscheidet sich deutlich von so genannten „Gottheiten“, wenngleich die dem christlichen Glauben auch nicht ganz fremd sind. Dem Christentum geht es aber vollem darum, die lebendigen Beziehungen zum Ausdruck zu bringen, um die es hier geht: Gott, der „Vater“ oder die „Mutter“ tritt in eine väterliche, mütterliche Beziehung zum „Sohn“. Der „Sohn“ (das ist Jesus Christus, der Mensch des Neuen Testamtents) ist eben wirklich auch „Sohn“ und nicht eine Erscheinung, die aus dem Nichts kommt. Und dass Gott sich dem Menschen mitteilt, so dass der Mensch auch etwas davon hat, das wird mit dem Bild vom „Heiligen Geist“ ausgedrückt. Wenn man so will: Die Trinität ist ein Ein-Mann/Eine-Frau-Stück, das von drei Personen gespielt wird. Dass nach deutschem Sprachgebrauch alle drei männlich sind, hat zu allerlei Irrtümern geführt, aber auch zum gar nicht so unsympathischen Bild vom Großvater-Gott mit weißen Haaren. Man darf das heute leicht nehmen, ohne sich dabei in Albernheiten zu verlieren. Alle Wurzeln dieser christlichen Tradition stecken in den Büchern der Bibel. Aber nur selten kommen sie dort schon in dieser Deutlichkeit zum Tragen, wie sie heute oft zu hören sind: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Und noch etwas: Mit dieser christlichen Eigenart, von dreien zu reden, wenn doch eine/r gemeint ist, wird auch die Freude darüber ausgedrückt, dass der Mensch überhaupt Erfahrungen mit Gott machen kann. Und zwar solche, die voller Spannung sind, Fragen aufwerfen, Antworten ausprobieren, Geduld erfordern und Überraschungen hervorbringen, selbst wenn man schon zig-mal darüber nachgedacht hat. Das Bild von der „dreifachen Schnur“ stammt auch aus der Bibel, es ist eigentlich ganz lebenspraktisch gemeint: Dreifach hält besser als einfach. Das kann auch für unsere Weise gelten, Gott zu erfahren. Eine dreifache Schnur reißt nicht so schnell. Verlierst du Gott, hast du noch den Sohn. Ist die Jesus fremd, berührt dich der Geist der Versöhnung und des Friedens. Irgendwie genial, finde ich.
Christoph Carstens
Pfarrer in Quedlinburg und Westerhausen