Page 63 - 35 Jahre Quedlinburger Musiksommer
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Dann kam die Zeit der Nazibesetzung des Doms, der Chor noch 20 Sänger und Sängerinnen an. Als Kopf am
Zuflucht der Gemeinde in der Blasiikirche. Walter Kopf 29.10.1972 aus Alters- und Gesundheitsgründen seinen
wurde Soldat und ab 1944 an der Westfront eingesetzt. Abschied nahm, berichtete er, dass etwa 400 Sänger
Der Chor war bis auf die in den Krieg geschickten Män- während seiner gesamten Zeit im Chor mitgewirkt hat-
ner mit 45 Mitwirkenden gut besetzt. Es kann ten.
angenommen werden, dass Domorganist Arno Bartel Der Domchor, wie er bis zum Schluss genannt wurde,
den Chor leitete, bis Kopf nach kurzer Gefangenschaft traf sich in der Folgezeit Am Schiffbleek 1 bei dem
im September 1945 zurückkehrte und sich dann wieder musikliebenden und sehr musikalischen Propst Bern-
unermüdlich mit den von ihm geleiteten Chören (neben hard Brinksmeier (1926–2013). Er war 1958 als
dem Domchor hatte er noch in der Schule tüchtige »Staatsfeind der DDR« für 6 Monate inhaftiert, von
Chöre aufgebaut) in Quedlinburgs Kulturleben ein- 1972 bis 1991 Propst im Propstsprengel Halberstadt –
brachte. Karin Meyer-Reinhardt weiß als Schülerin der Quedlinburg. Gemeinsam mit Arno Bartel führte er den Der Domchor 1969 Am Schiff-
bleek mit A. Bartel, W. Kopf,
Ursula-Goetze-Schule in der Weberstraße, wie Lehrer Chor sowohl im musikalischen Bereich wie auch in or-
B. Brinksmeier.
Kopf am 1. Weihnachtsfeiertag mit dem Kinderchor ganisatorischen Angelegenheiten bis 1980/81.
morgens um 6 oder 7 Uhr in der Stiftskirche sang. (8) Doris Helmund erlebte diese Zeit mit. Als gebürtige Chor und Orchester der
GutsMuths-EOS, das Collegium
Zum Kulturfest in der Stadt vom 14.6. bis 13.7.1947 Quedlinburgerin hatte sie in der unmittelbaren Nach -
musicum (Blankenburg), die
wurde auf seine Initiative von Hindemith »Wir bauen kriegszeit den aus Dresden hergezogenen Kammer- Solisten Fischer, Luft, Rotzsch
eine neue Stadt« ins Programm aufgenommen. Aber er sänger Karl Brauner als Lehrer, an den sich ebenfalls und Schaller führen 1961 unter
Eitelfriedrich Thom das Weih-
notierte auch: »Die Jahre 1952 bis 1957 sind durch Hans Bernhard Theopold erinnerte: »Kammersänger nachtsoratorium auf. Carl Künne
zeitbedingte und lähmende Umstände im Chorleben beson- Carl Brauner gründete gleich nach seinem Amtsantritt begleitete am Cembalo.
(8)
ders gekennzeichnet: nach dem Krieg einen Schulchor. Mehr als 50 Mädchen
a) durch den unmöglichen Zustand der Domorgel, und Jungen der höheren Lehrstufen lernten unter seiner
b) durch die erheblich zunehmende Abwanderung von Anleitung singen, und das so gut, dass man bald an die In-
Chormitarbeitern nach West (BRD) und Ost (wegen Ver- terpretation musikalischer Spitzenwerke gehen konnte.«
heiratung), Der Schülerchor der Städtischen Oberschule sang nach
c) durch die Sperrung jeglicher Zuschüsse (1959) durch die 1946 »Die Matthäuspassion« (Bach, 1950), »Die Schöp-
Gemeinde bis 1970.« fung« und »Die Jahreszeiten« (Haydn, 1951), »Elias«
(Mendelssohn Bartholdy) und »Ein deutsches Requiem«
Er berichtete, dass »drüben« im Westen ein Chor »30 (Brahms, 1949) sowie das Weihnachtsoratorium und
Ehemaliger« zusammen kam, im hier verbliebenen Chor »Carmina Burana« (Carl Orff).
waren ebenso viele Sänger. Schon damals versuchte Kopf All diese Werke blieben ihr noch in Erinnerung.
»immer wieder«, alle vier Kirchenchöre zur Zusammen - 1957, sie war inzwischen selbst keine Schülerin mehr,
arbeit zu bewegen, denn zeitweise hatte er nur noch zwei übernahm Eitelfriedrich Thom bis 1970 den Musikun-
Tenöre, einer davon war Arno Bartel. terricht in der Oberschule. 1961 sangen unter seiner
Am 4. September 1966 feierte der Quedlinburger Leitung etwa 100 Schülerinnen und Schüler das Weih-
Domchor unter Leitung von Walter Kopf mit einem nachtsoratorium von Bach. Solisten waren Philine
Fest- und Dankgottesdienst sein 75jähriges Bestehen Fischer (Sopran), Edda Schaller (Alt), Hans-Joachim
mit einem Bach-Kantaten-Konzert. 1971 gehörten dem Rotzsch (Tenor) und Hans Luft (Bass). Es spielten das
Der Quedlinburger Oratorienchor 61