07. Dez 2024
Fast 22 Jahre war Matthias Zentner Krankenhauspfarrer. Es begann mit einer halben Stelle in Quedlinburg, wurde im Laufe der Zeit zu einer vollen Anstellung, die Standorte Blankenburg, Wernigerode, zeitweise Ballenstedt, kamen dazu. Eines blieb: Er hat seine Lebenszeit eingesetzt, versah den Dienst mit Liebe und Leidenschaft und hat mit seiner Ernsthaftigkeit, dem ihm eigenen Humor und mit viel Empathie sehr viele Menschen erreicht.
Wie sehr er geschätzt wird, zeigte das Symposium am 6. Dezember 2024 in der Nikolaikirche Quedlinburg. Der Kirchenkreis hatte aus Anlass seiner Entpflichtung dazu eingeladen. Anstelle des üblichen Verabschiedungsgottesdienstes mit im Anschluss zahlreichen Grußworten, wurden Einblicke in die sonst eher im Verborgenen geschehende Arbeit gegeben.
Matthias Zentner eröffnete die kleine Vortragsreihe mit einem „Abriss der Seelsorge am Harzklinikum“. Ein Abriss, der weh tut, weil etwas zu Ende geht, doch da ist auch Freude darüber, dass diese Arbeit so lange finanziert wurde.
Er schilderte, wie er stetig Räume eröffnet habe – er nannte sie „Gesprächsräume“. Erfolgreich erkämpfte er „Räume der Stille“, pflegte Kontakte nicht nur zu den Patientinnen und Patienten, sondern ebenso zum medizinischen Personal, er begleitete die „Grünen Damen“, bot Weiterbildungen an, gründete und leitete das Ethikkomitee, sorgte für die Eröffnung eines Kindergrabfeldes auf dem Friedhof und vieles andere mehr. Er hatte nacheinander fünf Büros plus die Freisprechanlage seines Autos, das als Arbeitsplatz genutzt wurde auf der Fahrt von einer zur anderen Klinik.
Gundula Kopp, ehemalige Pflegedirektorin am Harzklinikum, würdigte, wie Pfarrer Zentner die Stabilität des Pflegepersonals befördert habe aufgrund der sehr guten Zusammenarbeit, den Unterrichtseinheiten sowie der emotionalen Unterstützung. Sie appellierte an den Kirchenkreis und an die Klinikleitung, die Seelsorge nicht aus den Krankenhäusern zu verbannen, sondern diesen „Balsam für die Seele“ weiter zu ermöglichen. Insbesondere das Ethikkomitee benötige die theologische Perspektive.
Aus ärztlicher Sicht bekräftigte die Palliativmedizinerin Dipl. med. Dagmar Boczek die Wichtigkeit, Menschen ein würdevolles Sterben zu ermöglichen. Sie lobte die gute Erreichbarkeit des Seelsorgers, die Sicherheit gab und betonte, der Bedarf nach solcher Begleitung sei groß. Sie fragte: „Wie kann man darauf verzichten?“
Ein weiterer Beitrag von Matthias Zentner widmete sich dem Thema „Evangelische Seelsorge im säkularen Umfeld“. Anrührend, bewegend und immer wieder auch humorvoll beschrieb er, wie er als Pfarrer Fremdling geblieben sei. Zugleich sei er dennoch immer wieder „angekommen“, selbst bei Menschen, die von Gott nichts wissen und nichts wissen wollen, die – befragt nach ihrer Religion – sagen: „Nüscht – also normal“. Den Seelsorger hat das nicht entmutigt. Sein Anliegen war nicht das Missionieren. Vielleicht gerade deshalb konnten so „manche kleine Päckchen Glauben über die Mauern der Skeptiker“ geworfen werden.
Klinikseelsorge sei für alle da, für Christinnen und Christen und für diejenigen, die an „nüscht“ glauben. Einer von denjenigen meinte: „Der ist zwar Pfarrer, aber trotzdem nett.“ Und eben „Balsam für die Seele“.
HIER der Bericht von Matthias Zentner: "Evangelische Seelsorge im säkulären Umfeld"
Anette Carstens, Leiterin der Telefonseelsorge in Magdeburg, betonte in ihrem Beitrag die Bedeutung der Ehrenamtlichen in der Seelsorge. Sie interviewte zunächst eine der Grünen Damen. Deutlich wurde, dass Neugier auf Menschen dazugehört und dass aus den Begegnungen nicht selten Freude mit ins eigene Leben genommen wird. Hinzu komme, dass man sich als Team verstehe, aus dem Freundschaften erwachsen können.
Superintendent Jürgen Schilling nennt es fatal, dass sich das Harzklinikum aus der Mitfinanzierung der Krankenhausseelsorge zurückzieht. Bei allem finanziellen Druck sei es nach seiner Einschätzung eine Fehlkalkulation, wenn die Person, die Zeit für Gespräche hat, die für menschliche Nähe und Wärme steht, aus den Personalstellen gestrichen werde. Dass es auch anders geht, dass Krankenhausseelsorge weiterhin wertgeschätzt werde, zeigen die Krankenhäuser in Elbingerode und in der Evangelischen Stiftung Neinstedt. Sie haben ebenfalls Geldnöte, doch sie wissen um die Wichtigkeit der Seelsorge an Kranken und Mitarbeitenden und halten sie weiterhin vor.
Die Zukunft der Krankenhausseelsorge im Kirchenkreis sei offen, gestand der Superintendent. Es würde an einem Konzept gearbeitet. Schon jetzt sei deutlich, wie gehabt wird es nicht mehr. Bisher finanziert der Kirchenkreis eine halbe Stelle. Doch wie damit fünf Häuser betreut werden könnten, sei noch unklar. Ein Beispiel der künftigen Veränderung: Die Begleitung der Grünen Damen ist so nicht mehr möglich und liegt ab Januar 2025 in der Verantwortung der Kliniken.
Nach dem Symposium wurde eingeladen zu einer Adventsandacht, zu der zahlreiche Gemeindeglieder aus Quedlinburg und Umgebung kamen. Matthias Zentner war u.a. in Ditfurt Pfarrer, wirkte mit beim Konfi-Kurs der Region und hatte die Junge Gemeinde der Kirchengemeinde Quedlinburg über viele Jahre hinweg geleitet.
Mit Handschlag wurde Matthias Zentner von seinem Dienst in der Kreispfarrstelle für Krankenhausseelsorge durch Superintendent Jürgen Schilling entpflichtet. Und er sprach ihm Gottes Segen für seinen zukünftigen Weg zu.
Schön, dass Matthias Zentner dem Kirchenkreis erhalten bleibt. Ab Januar 2025 beginnt seine Beauftragung als „Pfarrer für Entlastungsdienste“ (früher hieß das „Springer“), vorrangig im Bereich Wernigerode.
Text und Fotos: Ursula Meckel