Zum Nachhören - die Weihnachtspredigt

25. Dez 2016

von Superintendentin Angelika Zädow

"Verleih uns Frieden" klang es kurz vor Mitternacht durch die Martinikirche. Der Chor der Kirchengemeinde Halberstadt unter Leitung von Claus-Erhard Heinrich zog die Zuhörer ganz in den Bann.

Im Zusammenspiel mit der Ansprache von Superintendentin Angelika Zädow (siehe unten) thematisierten Töne und Worte die besondere Botschaft der Weihnacht vor dem Hintergrund der aktuellen Situation.

Das Friedenslicht aus Bethlehem war ein schönes Symbol dafür, dass der Wille zu gelingendem Miteinander stärker ist als alle Gewalt und aller Hass.


Ansprache zum Heilig Abend 2016
Superintendentin Angelika Zädow
Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Gemeinde,

ach ja, so schön, so wohltuend die vertrauten Worte der Weihnachtsgeschichte im Angesicht des Sterns.
Es scheint, als sehnen wir uns in diesem Jahr mehr als sonst an Heilig Abend nach dem, was beständig und verlässlich ist.

Zu unbeständig, zu verstörend, zu irritierend, zu ängstigend die vielen Nachrichten aus der Welt:
in Kairo werden während eines Gottesdienstes 24 Frauen und Kinder ermordet.
In Ankara wird der russische Botschafter getötet.
Und dann Berlin - der Tod kam mit dem Lastwagen.

Wirklich verstörend - und weil das alles so unfassbar ist, sind auch die Reaktionen konfus, gegensätzlich.

!Angst! titelt eine große Hamburger Tageszeitung, während die Berliner Morgenpost die Botschaft der Engel bemüht: „Fürchtet euch nicht“. Wieder andere wittern den politisch günstigen Augenblick für ihre bewusst gewählten Provokationen - „Gutmenschengejaule“, lese, ich, „Blut an ihren Händen“, „Islam gleich Flüchtlinge gleich Terror“.

Als wäre das alles noch nicht genug, spricht sich der neue christliche Präsident der USA heute für einen Gegenschlag aus.
Hat da der saarländische Innenminister nicht Recht, wenn er sagt „wir befinden uns im Krieg?“

Brauchen wir nicht endlich den Menschen, der schonungslos Klartext redet? Der sich nicht scheut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen? Der mit der Faust auf den Tisch, das Rednerpult, die Kanzel schlägt? Und endlich konsequent handelt, eine Schneise in das Wirrwarr der Meinungen schlägt und für alle einen klaren Weg vorgibt?

Woher kommt er, dieser Mensch?

Aus einer der Parteien? Aus einer Religion? Kommt er gar vom großen Bruder in Ost oder West?

In das ganze Durcheinander der Gefühle und Gedanken die Weihnachtsgeschichte.
Nie war sie aus meiner Sicht aktueller als heute.
Nie war sie treffender.
Nie tröstlicher.
Nie ging sie so unter die Haut.

Weil sie unsere Fragen und Unsicherheit aufnimmt.
Weil sie unserer Sehnsucht eine Heimat gibt.

Weihnachten im Zeichen des Sterns - dieses einzigartigen Lichtes am Firmament, das auf die Weihnachtsbotschaft hinweist.
Diese Worte: vom Frieden – vom zufrieden sein können, von der Abwesenheit allen Hasses, der Gewalt und des Krieges,
Worte: von Versöhnung, vom Leben lassen, von einer innigen Gemeinschaft der Unterschiedlichen
Worte: nie zuvor gehört. Sie berühren dich. Ergreifen deine Seele, deinen Verstand, dein Fühlen.
Ja, so müsste das Leben sein. So fühlt sich Geborgenheit an und Glück und Liebe.

„Euch ist heute der Heiland geboren“, das sind wahrhaft himmlische Worte. Heiland. Da ist er, der, auf den alle warten, der Heilsbringer - der eine Vision für die Zukunft hat – und mehr noch, der einen Weg dahin weiß - für alle!
Für alle Menschen, alle Völker, alle Kulturen, alle Länder, alle Sprachen, für Natur und Kosmos.

Da kommt er, der Mensch in wahrer Stärke und Kraft. Gott legt sich Dir als Kind in Deine Arme.
Ein Neugeborenes wiegst Du in den Schlaf. Und schaust es an. Siehst die Zartheit der Finger, merkst seine Wärme an dir, ahnst die Schutzbedürftigkeit des kleinen Menschenkindes.
Und du spürst wie Seligkeit dich erfüllt – nichts als stilles umfassendes Glück.
Jetzt die Welt anhalten. Diesen Augenblick ausbreiten von der Gegenwart in die Zukunft hinein.

Stell Dir vor - Du selbst warst einmal dieses Kind – lagst in den Armen der Eltern, der Geschwister, der Nachbarn, manchmal auch fremder Menschen. Hast Lächeln in ihre Gesichter gezaubert.

Heute feiern wir die Ankunft eines Kindes. In ihm kam Gott. Er kam auf diese Welt wie Du und ich.
Alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis sind in diesem Menschenkind verborgen:
Die Fähigkeit zum Frieden stiften, zur Solidarität, zum Erbarmen, zu gelingendem Miteinander. Alle Anlagen zum Guten trägst Du in Dir, Mensch. Du bist Gott – begabt. Sein Geist durchweht die Welt. Und an Christus sehen wir, wohin das führt, wenn ein Mensch die Anlagen Gottes konsequent lebt.

Christus brauchte niemanden, der ihm sein Handeln vorschrieb; er vermied es, mit der Faust auf den Tisch zu hauen und setzte stattdessen auf Gespräch und Argumente; er brachte unterschiedliche Kulturen, Religionen und Traditionen zusammen. Er stritt und wurde zornig - aber ohne Respekt und Achtung zu verlieren.
Staunend nahmen die Menschen wahr, dass Frieden möglich wird - sogar im Streit -, wenn auf eingefahrene Denkweisen und Handlungsmuster verzichtet wird. Wie viel Freiheit und Entspannung das Leben bringt, wenn Du nicht ständig in Vorurteilen gefangen bist. Wenn Du nicht ständig nach jemandem Ausschau halten musst, der dir sagt, wo es langgeht. Wenn du dir selber trauen kannst.

Weihnachten zeigt: Gott ist da - bei dir. Ganz Mensch. Trau ihm. Trau Dir. Zeig Dich von Deiner großzügigen, verzeihenden, offenen Seite. Das ist wahrer Mut, das ist wahre Stärke. Weil sie ohne Angst, Abgrenzung und Parolen auskommt.
Vor allem führt sie dich in die Weite der Begegnung mit Menschen, die ganz anders sind als du.

Damals brachte das Kind in der Krippe einfache Hirten und gelehrte Männer zusammen.
In diesem Jahr bringt das Kind wieder Menschen zusammen. Sie haben sich das nicht ausgesucht. Sie haben es nicht geplant. Und es war kein schöner Anlass. Dennoch wächst da etwas Gutes – langsam und zart. Aber unaufhörlich weiter - überall auf der Welt.

In Kairo versammeln sich seit Menschengedenken zum ersten Mal Muslime und Christen gemeinsam auf der Straße, um für einen Friedensweg einzutreten.
In Berlin kommen Muslime und Christen zusammen und stehen dafür ein, Hass und Gewalt keine Chance zu geben.
Vor drei Tagen sangen Menschen unterschiedlichster Länder im Schatten der Gedächtniskirche WE ARE THE WORLD, um ein Zeichen für den Frieden zu setzen.
Übermorgen starten Hunderte zu einem Friedensmarsch über die Balkanroute nach Aleppo.

Im Zeichen des Sterns werden sie zu Zeugen dafür, dass die Kraft der Versöhnung stärker ist als Hass und Gewalt.

Es ist, als leuchte mit allen, die sich vom Kind in der Krippe bewegen lassen, ein Abglanz des Weihnachtssterns mitten unter uns auf.
Kleine Sternschnuppen – Lichtpunkte…

aus dem Dunkel glimmt Hoffnung –
aus Schrecken und Schockstarre leise die Frage:

Du, kommst Du mit?
Es anders machen?
die Vielfalt der Menschen entdecken …
die Schönheit der Verständigung erleben …
Gemeinschaft genießen …
Im Gegenwind das Leben spüren …
Die leisen Töne suchen …
Miteinander die Weihnachtsbotschaft in die Welt tragen: Friede auf Erden

Ja, Frieden auf Erden: Ägypten, Asien, Afrika, Israel, Russland, USA, Frankreich, Aleppo, Ankara, Berlin, bei uns.

Kommst Du mit?

Amen.

Martini Mette
Martini Mette

Fotos: Martin Saß

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