25. Dez 2013
Die "Bethlehems der heutigen Zeit" waren Thema in der Mette in der Martinikirche zu Halberstadt
Es ist schon eine kleine Tradition, dass die Mette in der Martinikirche zu Halberstadt besinnlich und feierlich zugleich in die heilige Nacht führt. Der Praetoriuschor unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Claus-Erhard Heinrich gestaltete die Liturgie, in der während des weihnachtlichen exsultet das Licht des Friedens durch die Reihen der zahlreichen Besucher wanderte und den Raum nach und nach festlich erleuchtete. Superintendentin Angelika Zädow thematisierte in ihrer Ansprache die "Bethlehems der heutigen Zeit" (siehe unten).
Mit den brennenden Kerzen als Zeichen für Frieden und Hoffnung gingen die Menschen nach Hause. Oder trafen sich noch in kleinen Gruppen vor der Kirche - oder hinten - mit dem ein oder anderen mit gebrachten Getränk.
Ansprache Mette Martini 2013 von Superintendentin Angelika Zädow
Sage,
wo ist Bethlehem?
Wo die Krippe? Wo der Stall?
Musst nur gehen, musst nur sehen
Bethlehem ist überall.
Sage,
wo ist Bethlehem?
Komm doch mit, ich zeig es dir!
Musst nur gehen, musst nur sehen
Bethlehem ist jetzt und hier.
Sage,
wo ist Bethlehem?
Liegt es tausend Jahre weit?
Musst nur gehen, musst nur sehen
Bethlehem ist jederzeit.
Sage,
wo ist Bethlehem?
Wo die Krippe? Wo der Stall?
Musst nur gehen, musst nur sehen
Bethlehem ist überall.
So dichtete einst Rudolf Otto Wiemer. Und nahm mit seinen Worten die wahre und tiefe Bedeutung des Heiligen Abends auf.
Ein junges Paar kilometerweit schon gelaufen. Beide müde, Maria, hochschwanger, fühlt schon die nahe Niederkunft. Und niemand, der sich erbarmt, keiner da, der sie willkommen heißt. So wird Gott geboren - in bitterster Armut, schutzlos ausgeliefert dem „Nein“ der Menschen. Nein, wir haben keine Herberge für Euch, nein, Euch wollen wir nicht, nein. – Geht in den Stall.
Gott, geboren in die Kälte menschlicher Hartherzigkeit.
Zeitsprung: Hamburg 2013. In den Ländern der Erde leben die Menschen in sehr unterschiedlichen Verhältnissen. In einigen Ländern herrscht überwiegend Wohlstand. Zwar sind nicht alle glücklich, aber niemand muss wirklich hungern oder frieren. Vor allem herrscht Frieden.
In anderen Ländern dagegen bangen Menschen täglich um ihr Leben. Diebstahl, Korruption, Erpressung und gewalttätige Übergriffe gehören zur Tagesordnung. Kaum jemand hat Arbeit, oft gehen die Familien hungrig ins Bett.
Und so machen sich viele auf, um ein Land zu finden, in dem sie in Frieden arbeiten und ihren Kindern eine Zukunft vorbereiten können. Und vertrauen sich Leuten an, die es scheinbar gut meinen.
Hunderte von Kilometern laufen sie oft bis ans Meer. Für einen Platz auf einem der kleinen Boote gibt mancher sein letztes Geld. Wer Glück hat, erreicht das andere Ufer, viele aber schaffen es nicht: weil das Boot überfüllt ist, weil Helfer nicht helfen dürfen.
In die Notunterkünfte an Land kommen Regierungsvertreter und sagen: „Zieht weiter. Hier könnt ihr nicht bleiben und geben ihnen Papiere und 500 €. Und wieder machen sie sich auf und suchen ein anderes Land. Doch als sie dahin kommen, finden sie keine Unterkunft. „Kehrt um, wir haben hier keinen Platz für euch“, sagen die Leute. So schlafen sie mal hier und mal dort. Da öffneten Menschen einer Hamburger Kirchengemeinde ihr Gotteshaus und nahmen auf, die obdachlos durch ihre Stadt liefen und machten die Kirche zur Herberge.
Wenn wir am Heiligen Abend Jahr für Jahr zusammen kommen, um die vertrauten Worte zu hören, dann hat das für mich immer eine beruhigende und eine beunruhigende Seite.
Beruhigend, weil Gott selbst klein und schwach wird - und genau dort - aus dieser Schwäche heraus, etwas Neues wächst, aus eine trockenen Wurzel sprosst eine kleine Blüte – wie der Prophet Jesaja sagt.
Das ist die Hoffnungsbotschaft schlechthin: kein Leben ist so arm, keine Not so groß, als das nicht etwas Neues und Überraschendes entstehen kann. Und: diese Nachricht ist nicht abgehoben und fern der Realität, sondern eingebettet in die Lebenswirklichkeit. Damals in die Alltagsroutine der Hirten und die Hartherzigkeit der Nein-Sager, heute in unser Leben.
Wenn wir also in diesem Jahr die Weihnachtsgeschichte hören, dann sollen die vertrauten Worte und das Betrachten der Krippe diese Hoffnung in uns wecken und die Sehnsucht anstacheln. Dass Veränderung möglich ist, dass Neues entstehen kann, dass nichts so bleiben muss wie es ist, dass sich die Suche nach Gerechtigkeit und Frieden lohnt.
Weil Gott in Christus selbst gezeigt hat, dass das möglich ist: Hoffnung zu schaffen, wo Menschen leiden. Versöhnung und Frieden zu bringen, wo Feindschaft und Unverstehen sind, Gemeinschaft zu stiften, wo Herkunft, Traditionen und Erziehung Vorurteile mit sich bringen.
Und das ist zugleich die beunruhigende Seite, weil sie mich selber danach fragt, was ich denn tun kann, wo ich denn zu Gerechtigkeit und Frieden beitragen kann. Weil sie mich fragt, ob ich nur anbetend niederknie, oder auch die Bethlehems von heute wahrnehme. Ob ich die Botschaft des Heiligen Abends mit in meinen Alltag nehme.
Denn mit Weihnachten hat Gott den Aufruf zur Veränderung gestartet. Und im erwachsenen Christus gezeigt, wie denn diese Veränderung aussehen kann. Christus fragte nach dem Sinn von Geboten und Weisungen und legte als Maßstab für ihre Sinnhaftigkeit Menschlichkeit und Nächstenliebe fest, weil Gesetze und Verordnungen für den Menschen da sein sollen und nicht umgekehrt. In seinem Sinn dürfen wir also fragen, ob es menschlich ist und der Nächstenliebe dient, wenn es Gesetze gibt, die Kinder, Frauen und Männer 10, 15 oder 20 Jahre in Unsicherheit in unserem Land leben lassen.
Und liebe Gemeinde, weil Gott in Christus die Welt mit ihren Menschen nachhaltig veränderte, weil diese Veränderung bis heute andauert, weil es immer wieder Gemeinden und Christen gibt, die sich rufen lassen und nicht müde werden, der weihnachtlichen Lichtspur zu folgen, deshalb kann dieses Fest nur ein Fest der Freude werden. Sagt es also allen weiter, dass nichts so bleiben muss wie es ist, und dass Ihr, dass jeder die Kraft zur Veränderung, die göttliche Kraft in sich trägt.
So geht und lebt als weihnachtliche Menschen hier in Halberstadt und wo immer Ihr sein werdet. Amen.
Fotos: Martin Saß