Der Tod Jesu

24. Mär 2012

Oratorienchor Quedlinburg führt Graun-Kantate auf

„Der Tod Jesu“ von Carl Heinrich Graun ( 1703/04 – 1759 )
nach einem Libretto von Karl Heinrich Ramler ( 1725 .- 1798 )
für 4 Solisten, Chor und Orchester

Pracht, Rührung und Schönheit

Im Jahr 1757 veröffentlicht der zu Lebzeiten hoch verehrte Dichter Karl Wilhelm Ramler ein Libretto mit dem Titel „Der Tod Jesu" . Hohes Ansehen genoss Ramler wegen seiner Oden, geistlich und weltlich-mythologischer Kantaten und als Übersetzer antiker, griechischer und lateinischer Lyrik   (z.B. Horaz ) 1812 spricht Johann Wolfgang von Goethe in Dichtung und Wahrheit: "Ramler singt auf eine andere, höchst würdige Weise die Taten seines Königs. Alle seine Gedichte sind gehaltvoll, beschäftigen uns mit großen, herzerhebenden Gegenständen und behaupten schon dadurch einen unzerstörlichen Wert.“
Die Anregung zu einem Libretto muss wohl von der Quedlinburger Äbtissin, der preußischen Prinzessin Anna Amalie (1723-1787 )gekommen sein. Sie war die jüngste Schwester des preußischen Königs Friedrich der II (1712 – 1787).Als Äbtissin weilte sie nur selten in Quedlinburg. Dafür gab die kunstsinnige Prinzessin musikalische Soireèn  die im Berliner Musikleben eine wichtige Rolle spielten. Für eine dieser Soirèen war auch „Der Tod Jesu" gedacht, den Ramler sehr zügig in Angriff nahm. Er bat den Halberstädter Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 – 1803) um Mitarbeit bei den Texten zu den Arien, die auf bereits fertiggestellte Rezitative folgen sollten. Dabei wird einmal mehr die Wertigkeit klar: Schwerpunkt sind die Rezitative, in die der Dichter alles hineinlegt, was an Aussage wichtig ist. Die Arien ergänzen die Aussage. Gleim lehnt aber eine Mitarbeit unter Hinweis auf die besonderen Fähigkeiten des Herrn Ramler ab. Auch der Quedlinburger Friedrich Wilhelm Klopstock (1724- 1803) lobte die Dichtung in höchsten Tönen.
Es ist die Zeit der Neologie (neuen Lehre), mit der Philosophen und Theologen versuchten, eine Übereinstimmung von Glaube und Vernunft herauszuarbeiten. Man behalf sich ab jetzt mit den Begriffen „öffentlicher" und „privater Religion“.
Damit setzt in den Dichtungen eine ganz andere Akzentuierung ein.
Zunächst verwendet Ramler Elemente aus allen vier Evangelien und schafft damit eine sogenannte Passionsharmonie. Dabei vernachlässigt er ganz bestimmte dramatische Erzählelemente, z. B. das Ohrabschlagen, Details der Gefangennahme, Jesus vor dem Hohen Rat und damit die Begründung für die Verurteilung. Dafür dominieren aber zwei Stationen des Leidensweges Jesu: Gethsemane und Golgatha. Beide Orte eignen sich für eine Darstellung der emotionalen, `emfindsamen` Momente der Passionserzählung. Dieses Leiden wird von Ramler an vielen Stellen in eine anrührende, poetisch stilisierte Gefühlsdarstellung umgeformt. Die Schilderung der seelischen Leiden Jesu wird – über den biblischen Bericht hinausgehend – angereichert mit Wendungen, die das Geschehen nachdrücklich gestalten und auch körperlich vergegenwärtigen sollen .„ Interessant ist vielleicht noch, dass der Name Christus nur einmal auftaucht, währenddessen er an anderen Stellen mit "Bester aller Menschen-Kinder“, „Held“, „Schutzgott“, „ Freund aller Menschenkinder“ u.v.m. genannt wird. Einen weiteren wichtigen Einfluss auf die Dichtung Karl Wilhelm Ramlers hat Christian Gottfried Krause (1719 – 1770). Er fordert in seiner „Musikalischen Poesie“ von 1752 auf bestimmte unmusikalische Affekte zu verzichten wie "Heulen, Schreyen, Brüllen, Zischen, Rasseln“ u.v.m., dafür aber musikalische Affekte zu verwenden, wie „zärtliche“ Leidenschaften oder die, die „auf Liebe und sanfte Empfindungen“ basieren. .
Zunächst wollte wohl die Prinzessin Anna Amalie (Amalia) den vorliegenden Text vertonen, zog es aber vor, diesen sehr sanglichen Text dem Komponisten Carl Heinrich Graun zur Vertonung zu übergeben. Der langjährige Leiter der Berliner Singakademie Carl Friedrich Zelter (1758 – 1832) bemerkt: „Man darf jetzt noch sagen, dass der Styl der Arien und selbst des letzten schönen Chors, kein Kirchenstyl ist. Ramler und Graun selber, haben ihr Werk schlechtweg eine geistliche Cantate genannt, die nichts anders seyn soll, als Medium zwischen dem ernsten für unsere Zeit harten Kirchenstyl und dem lichten, leichtern Kammerstyl.“
Etwas anders klingt es bei Friedrich Wilhelm Marpurg (1718 – 1795) : "Was ein Rammler gedichtet, und ein Graun componirt hat, braucht keiner weitern Empfehlung. Prächtige Chöre, rührende Arien, die den nachdrücklichsten Worten angemessen sind; wohl ausgearbeitet Fugen; Duetten, wo Kunst und Geschmack um den Vorzug streiten, Affect und Feuer in der Composition; das Herz ergreifende Recitative, ein feiner und edler Gesang, eine volle majestätische Harmonie  - sind die wesentlichen Stücke einer schönen Kirchenkomposition, und die Kennzeichen der graunischen Muse.“
Kein Wunder also, dass sich diese Komposition über lange Zeit großer Beliebtheit erfreute und bis ins 19.Jahrhundert hinein die meistgespielte Karfreitagsmusik war.
Im „Tod Jesu" verliert die Leidensgeschichte Jesu ihre Schärfe und Düsternis. Wird damit der Karfreitag für uns erträglicher? Vielleicht kommt diese Musik unserer Sehnsucht nach Lebendigkeit entgegen und verschafft uns mehr Raum und Luft mit Tod und Trauer besser umzugehen.


Gottfried Biller

Quelle: Herbert Lölkes
Ramlers „ Der Tod Jesu“ in den Vertonungen von Graun und Telemann
Bärenreiter 1999

Quedlinburg Nikolaikirche

Passionsmusik am Karfreitag, 6.April 2012 um 17.00Uhr in der Nikolaikirche zu Quedlinurg 

 

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