Herr der Orgeln

09. Mär 2021

Dietmar Damm kennt viele Familiengeschichten, die der Schukes, Eules, Rövers, Silbermanns, von Ladegast, Papenius und Hüfken. Die Orgelbauer-Dynastien begleiten den 82-jährigen Kirchenmusiker fast sein Leben lang.
Als gerade frisch gebackener Absolvent der Kirchenmusikschule Dresden trat er zum 1. Advent 1959 in Crostau seine erste Kantorenstelle an. „Dort in der Oberlausitz saß ich an einer schönen Silbermann-Orgel. Sie hatte mich eigentlich in diese Gemeinde gezogen“, erzählt er. 50 Jahre später, zu seiner Goldenen Hochzeit, spielte er mit seiner Ehefrau Gertraud dort ein Benefizkonzert für die Bergkirche.
Mitte der 1960er Jahre zog das Kantorenpaar nach Wernigerode: Sie wirkte an der Liebfrauenkirche, seine Stelle als Kirchenmusiker war ab 1965 an die Stiftskirche St. Sylvestri gebunden. „Heute sind meine Nachfolger längst gemeindeübergreifend im Einsatz.“
Schon damals suchte der Kirchenkreis Wernigerode jemanden, der sich mit Orgelproblemen befasst. Und fand ihn in Dietmar Damm. „Unsere Orgel spielt nicht mehr, hieß es aus den Gemeinden. Dann wurde meine Sachkenntnis bemüht.“ Aber die erwirbt man sich nicht im Fach Orgelkunde im Studium. „Wir haben zwar mal eine Orgelwerkstatt besichtigt, aber die wahre Praxis beginnt im täglichen Leben, wenn man mal auf Gangbrettern ganz hoch in die Orgel steigt.“ Das tat er bis vor kurzem noch. Seine Beauftragung im Kirchenkreis Halberstadt endete zum 1. Januar 2021. „Irgendwann muss auch als Orgelbeauftragter Schluss sein“, sagt der agile Kirchenmusiker. Doch seinem Spiel als Organisten können Gottesdienstbesucher rund um die „Bunte Stadt am Harz“ weiter lauschen, auch wenn Corona die Kirchenmusik derzeit einschränkt.
Zum Wernigeröder kam kurz darauf der damalige Kirchenkreis Osterwieck hinzu. Was dem späteren Kirchenmusikdirektor Probleme jenseits der Orgeltastatur bescherte. „So 15 Gemeinden befanden sich im Sperrgebiet. Dorthin einreisen durfte ich dann erst nach viel Bürokratie.“
Als dann auch die aus Dresden verwaltete Propstei Blankenburg zur KPS nach Magdeburg kam, erweitere sich sein Zuständigkeitsbereich bis zur „Enklave“ Calvörde in der Altmark.
„Aber es ist bis heute wichtig, den Gemeinden als Berater zur Seite zu stehen. Alle hängen an der Kirchenorgel, da ist es ganz wichtig, dass GKR und Organisten darüber reden, wie Orgeln zu reparieren sind.“ Zu DDR-Zeit ging es vornehmlich darum, die Instrumente spielbar zu halten. „Neubau, das war damals ein Traum. Keine Mitarbeiter, kein Material. Da warteten die Gemeinde acht bis zehn Jahre, also so lange wie auf einen Trabant“.
Dietmar Damms Ziel bestand darin, „der Gemeinde einen sinnvollen Weg aufzuzeigen.“ Er unterbreitet Vorschläge, der GKR trage die Verantwortung, „Früher ging es darum, überhaupt eine Orgelwerkstatt zu finden, heute laufen drei Angebote bei mir als Orgelsachverständigen auf; für mehrere Objekte im Jahr, die abgewogen werden müssen.“
Damm ähnelte manchmal auch einem Umzugsunternehmer. „Als die Orgel der Nikolai-Kirche Osterwieck nach Stötterlingen umzog, war er ebenso dabei wie beim wertvollen Instrument aus Hordorf, das nun in Belzig zu hören ist.“

Zu fast jeder Orgel im unterdessen weiter gewachsenen Kirchenkreis zwischen Kroppenstedt und Brocken weiß Damm eine Geschichte zu erzählen. Er schaute hinter die Kulissen, denn hinter manch wunderschönem Orgelprospekt verbirgt sich manchmal neu Hinzugefügtes. Gelernt hat er in den Jahren, dass „manche Orgel-Historie ohne die Original-Akten mit Vorsicht zu genießen ist.“
„Es gibt zwar nicht viele Neubauten, aber wunderbare Instrumente“, schwärmt der Kirchenmusiker zu den über 150 Orgeln im Kirchenkreis Halberstadt. Dabei fallen nicht vorrangig die Namen bekannter Gotteshäuser: Klein Quenstedt, Badersleben, Danstedt, in Abbenrode stehe eines der ältesten Instrument, eine barocke Cuntzius-Orgel, „die die Firma Schuke noch zu Sperrgebietszeiten restaurierte.“

Wer Damm als Orgelbeauftragtem folgt? „Ich freue mich, dass mein pensionierter Kollege Werner Jankowski aus dem Kirchenkreis Egeln nun die Aufgabe übernommen hat.“

Text und Foto: Uwe Kraus

Bildtext: Sein B-A-C-H hängt bei Dietmar Damm an der Wand. „Das Modell ist sogar spielbar“.

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