Die Jünger Jesu aus dem Lockdown geholt

28. Mai 2020

Das Pfingstfest kommt wie gerufen! Allerorten gehen wir nun erste Schritte in ein – im Vergleich zu den vergangenen Wochen – wieder normaleres Leben. Die Art und Weise, wie wir dabei zusammenkommen, ist noch ungewohnt. Der Mundschutz ist mir dabei kein Problem. Aber wie oft möchte ich die Hand zur Begrüßung reichen! Mir fehlen die Konzerte. Mir fehlen große, festliche Gottesdienste. Und mir fehlt das angstfreie Miteinander. Wir werden sensibel einen Weg finden müssen, wie wir den Hygienemaßnahmen das Störende nehmen (ohne sie zu vergessen oder gar zu missachten). Und wir werden kraftvoll dafür sorgen müssen, dass die Freude über das Leben mit seinen großartigen Möglichkeiten weiterhin ihren Raum erhält.

Das Pfingstfest kommt da wie gerufen. Waren nicht auch die Jünger Jesu wie in einem Lockdown!? Eine von oben verordnete Kontaktbeschränkung. Karfreitag jagte ihnen gehörige Angst ein. Miteinander waren sie in Kontakt, aber sie waren verunsichert. Selbst Jesu Auferstehung am Ostersonntag änderte nichts daran, sie erschraken mehr, als dass sie sich freuen konnten. Deshalb blieben sie 52 Tage lang unter sich. Erst zum Pfingstfest beendet der Heilige Geist ihre Isolation. Er führt sie ins Freie und damit die Frohe Botschaft von Jesus als dem Heiland bis zu uns.

Was ist der Heilige Geist? Er hat es schwer innerhalb der Trinität. Er ist gewissermaßen die blasseste Person neben Gott Vater und Gott Sohn. Und doch ist er viel mehr als nur theologisches Beiwerk. Er ist Gottes Anwalt. Er bewegt. Er macht neu. Er lässt uns das Richtige tun. Manchmal wirbelt er uns auch ganz schön durcheinander. Insofern gehört er natürlich nicht nur zum Pfingstfest. Aber zu Pfingsten tritt der Heilige Geist aus dem Schatten der anderen hervor.

Was mich jedes Jahr zu Pfingsten neu anrührt, sind die Worte des Propheten Joel, die Petrus in seiner „Pfingstpredigt“ (Apostelgeschichte 2,14ff) zitiert: „Eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben.“ Diese Worte erlebe ich als etwas ganz Besonderes. Zum einen berührt mich, dass hier Jung und Alt zusammengebunden sind. Träumen dürfen nicht etwa nur die Jungen, vielmehr wird auch dem Alter das Träumen zugetraut.

Zum andern spüre ich die Zukunft, die darin aufscheint. Eine offene, spannende Zukunft. Es bleibt nichts, wie es ist. Weil wir als Gottesvolk immer in Bewegung sind. Von Gottes Geist be-geistert. Manchmal lässt uns das Häuser und Tempel bauen. Dann wieder träumen von ganz neuen Formen. Immer unterwegs. Und immer ist Gott mit dabei: Gott Vater, Gott Sohn und Gott, der Heilige Geist.

Ich wünsche Ihnen ein fröhliches und geistvolles Pfingstfest!
Ihr Superintendent Jürgen Schilling