„Die Menschheit hat den Verstand verloren“

08. Apr 2025

Als ich die Einladung mit dem provozierenden Titel „Die Menschheit hat den Verstand verloren“ zum ersten Mal sah, dachte ich spontan: Genauso ist es – wenn ich Nachrichten lese oder höre oder sehe.

Erst beim zweiten Blick merkte ich, dass es nicht um die Gegenwart geht, sondern um Astrid Lindgren – und die kenne ich als Kinderbuchautorin von der entzückenden Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter und anderen. Ihre Hauptfiguren verkörpern Streiche und Lust am Leben.

Und dann das Überraschende: Tagebücher von 1939 bis 1945, geführt von der schwedischen jungen Frau. Das machte neugierig, nicht nur mich.

Knapp 50 Menschen hatten sich einladen lassen und kamen am 8. April 2025 zunächst zu einer Andacht in die Kirchenruine von Wedderstedt. Dort gedachten sie des 80. Jahrestages des Gefangenenzuges durch ihr Dorf.

Anschließend versammelten sie sich im Saal des „Dorfkrugs“ und hörten Passagen aus den Kriegstagebüchern. Die Autorin schrieb klug und aufmerksam, manchmal bedrückend, oft voller Angst und Unruhe auf, was sie in den Nachrichten aus dem Weltgeschehen hörte und was sie selbst erlebte. Vieles war nicht nur beunruhigend, sondern verwirrend. Wer kämpfte da warum gegen wen, wieviel Leid wurde produziert? Mitleid mit den Opfern aus allen Ländern. Dazwischen alltägliche Erlebnisse und Begegnungen.

Vielleicht hat das grausame Kriegsgeschehen, das Astrid Lindgren überlebte, sie dazu gebracht, das Leben danach mit anderen Augen zu sehen und ihre Kinderbücher voller Lebensfreude und Mut zu schreiben.

Am Ende des Abends waren die Zuhörenden zuweilen erschrocken über viele Parallelen zur heutigen Zeit. Vor allem aber bot sich das Bild einer klugen und mitfühlenden Frau dar.

Die Lesenden:
Uta Gosselck-Perschmann, hatte sich aus dem Norden zu uns auf den Weg gemacht. Sie ist gebürtige Rostockerin, hat alte Sprachen studiert, als Regieassistentin und Dramaturgin und Dozentin für Schauspiel gearbeitet; Sprechwissenschaft und Sprecherziehung studiert und gelehrt. Seit 20 Jahren lebt sie als freiberufliche Sprecherin in Berlin und Ahrenshoop.
Dort hat sie auch Pastor Reinhard Witte kennengelernt, er durfte sie und ihren Mann trauen, daraus ist eine Freundschaft entstanden und schließlich – unter anderem - gemeinsame Buchlesungen.

Reinhard Witte ist seit Januar dieses Jahres vorrangig für die Kirchspiele Bode-Selke-Aue und Wegeleben und die gesamte Region im Osten des Kirchenkreises tätig.

Die Kirchengemeinde dankte den beiden Vortragenden mit einer herzlichen Umarmung und Blumen.

Der Eintritt zu der Lesung war frei, um eine Spende für die Grundschule Miriam Lundner in Halberstadt für jüdische und interkulturelle Projekte wurde gebeten, es kamen 250 € zusammen.

Text und Fotos: Ursula Meckel