Heiliger Schauer

21. Jun 2011

Nach einer Mittagsandacht kam ich mit Touristen ins Gespräch. Wir plauderten locker miteinander. Doch dann fiel ein Satz, der dem Gespräch eine interessante Wende gab...

Von Pfarrer Dr. Ekkehard Steinhäuser, Quedlinburg

Liebe Leserinnen und Leser,

nach einer Mittagsandacht in der Stiftskirche kam ich mit Touristen ins Gespräch. Wir plauderten locker miteinander. Doch dann fiel ein Satz, der dem Gespräch eine interessante Wende gab. Die Frau sagte: „Wissen Sie, Herr Pfarrer, immer wenn wir in fremden Städten sind, schauen wir uns die großen alten Kirchen an. Da überkommt einen so ein heiliger Schauer!“ Ein „heiliger Schauer“! Was ist das? In jedem Fall ist es mehr als das Prickeln auf der Haut, das uns die Haare zu Berge stehen lässt, mehr als Gänsehaut. Aber was empfinden wir bei diesem „heilige Schauer“? Ist er begleitet von negativen Empfindungen? Nimmt uns gefangen, macht er uns Angst? Oder ist der „heilige Schauer“ eher begleitet von positiven Empfindungen? Ist er wohlig und macht uns ehrfürchtig?

„Also, mir ist das mit der Religion und der Vorstellung von der Existenz Gottes alles ein bisschen unheimlich“, sagt der Mann. „Ich glaube nur, was ich sehe.“ Aber das ist ein Satz, den viele Menschen, besonders Jugendliche, oft unbedacht und leichtfertig aussprechen. In unserem Leben gibt es vieles, mit dem wir ganz fest rechnen und auf das wir uns wirklich verlassen - was wir aber nicht sehen können. Ich habe die Vorgänge in meinem Gehirn und in meinem Körper nie wirklich gesehen. Nur in Modellen. Ich weiß nicht, was sich in den Nervenbahnen wirklich abspielt. Aber ich weiß, dass ich durch mein Gehirn denken und durch meinen Körper empfinden kann. Den elektrischen Strom habe ich nie wirklich gesehen. Ich kenne nur seine Wirkung. Aber ich weiß, dass der elektrische Strom eine Glühbirne zum Leuchten bringt.

Es gibt so viele Dinge, die man nicht sehen kann. Aber sie existieren. Sie sind wirklich. Und so ist es auch mit diesen großen alten Kirchen. Da existiert etwas, was man nicht sehen kann. Aber es ist wirklich. Vielleicht ist es das, was den „heiligen Schauer“ verursacht. Die Existenz Gottes, sein Sein, auch wenn man es nicht sehen kann.

Und so kam es, dass wir über unseren Glauben gesprochen haben. Gar nicht beabsichtigt, eher unbemerkt. Ich bin mir sicher: Die wirklich wichtigen Fragen des Lebens sind oft Fragen des Glaubens, oder hängen zumindest sehr eng mit diesen zusammen. Und der Glaube ist in jedem Fall etwas, das nicht nur fest eingeschlossen in das Herz gehört, sondern auch in die Öffentlichkeit und ins Gespräch.

In unserer Gesellschaft, manchmal auch in unserer Kirche, und leider auch manchmal in unserem Leben, haben wir uns auf eine eher belanglose Kommunikation geeinigt und sparen heikle Themen lieber aus. Aber: Was glaubst du eigentlich, was nach dem Tod kommt?

Pieta
Klosterkirche Drübeck

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