Sieben Wochen Perspektivwechsel

07. Mär 2025

Am 5. März 2025 hat sie begonnen: die Fastenzeit. Viele Menschen verzichten bis Ostern auf Süßigkeiten, Alkohol, Fleisch oder Social Media.

Die Umstellung fällt anfangs schwer, denn neue Gewohnheiten brauchen ihre Zeit.
Mit dem Verzicht ist oftmals auch die Hoffnung verbunden, neue Perspektiven zu gewinnen: Wie verbringe ich meine Zeit? Und womit würde ich sie eigentlich gerne füllen? Wovon lasse ich mich ablenken – und warum? Wie lebt es sich, wenn ich eine Zeit lang meine gewohnten Sichtweisen hinter mir lasse und einen zweiten oder neuen Blick auf Menschen und Themen wage? Sieben Wochen sind ein überschaubarer Zeitraum, Neues auszuprobieren und ausgetrampelte Pfade zu verlassen.

Sieben Wochen die Perspektive wechseln – dafür lohnt sich auch ein Blick auf Jesus, dessen Weg nach Jerusalem, Leiden und Sterben im Fokus der kommenden Wochen stehen. Denn am Aschermittwoch hat sie begonnen: die Passionszeit. Die Evangelien berichten davon, wie Jesus die Augen vor Leid nicht verschloss, sondern seine Zeit und Aufmerksamkeit Menschen widmete, die vom Leben gezeichnet waren. Er erlebte die Folgen von zerbrochenen Beziehungen; er sah, wie Menschen trauerten und ihnen das Herz vor Kummer schwer war; er erlebte Streitereien in Familien; sah von Krankheit gezeichnete Menschen. All dies ließ ihn nicht kalt; er litt vielmehr mit und ließ die Not der anderen an sein Herz heran.

Das ist auch 2000 Jahre später ein Perspektivwechsel in einer Welt, in der das Leid oftmals verdrängt wird. Wo jeder seine eigenen Sorgen hat. Wo die Not des Anderen häufig nachrangig ist gegenüber dem eigenen Vorteil. Wo Menschen vorgeben, dass alles in Ordnung sei, um niemandem zur Last zu fallen.

Die Fastenzeit ist mehr als Verzicht. Sie ist eine Zeit für Perspektivwechsel. Wen und was man wohl entdeckt, wenn man die kommenden sieben Wochen mit der Perspektive des mitleidenden Jesus verbringt? Sieben Wochen lang die Augen und Ohren, auch das eigene Herz nicht vor dem verschließen, was das Herz der anderen Menschen schwermacht. Das könnte ein schwerer, aber lohnenswerter Weg sein. Dafür braucht es nicht viele Worte. Schweigen und Zuhören genügen oftmals schon, um jemandem zu zeigen, dass man ihn und seine Leiden wahrnimmt und davor nicht ausweicht.

Gut möglich, dass man am Ostersonntag dann feststellt: Der neue Blick auf die Menschen, denen man begegnet, hat einem auch einen neuen Blick auf sich selbst beschert.

Saskia Lieske


Dr. Saskia Lieske

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