Ich mag den Advent trotzdem

03. Dez 2022

Ich brauche Weihnachtsfeiern, ohne dass schon Weihnachten ist. Und ich brauche Zeit, die nicht einfach austauschbar ist mit anderen Zeiten des Jahres. Darum auch mag ich den Advent.

Der Advent ist das große Luftholen vor dem Fest. So empfinden ihn zumindest viele. Selbst, wer nicht auf der Jagd nach Geschenken ist, braucht für dieses: „Ich nicht!“ eine Erklärung, wie zum Beispiel: „Wir schenken uns zu Weihnachten nichts mehr, weil wir lieber einfach in Ruhe Zeit zusammen haben wollen.“ Eigentlich selbstverständlich, aber im Advent braucht es dafür eine besondere Betonung. Schließlich erwarten ja alle, dass man jetzt noch mal richtig ausholt, um dann ein schönes Fest feiern zu können.

In der Bibel kommt der Advent als jährlich wiederkehrende Zeit nicht vor. Er ist eine Kirchenerfindung. Nicht die schlechteste, aber eben wenig verbunden mit dem, worum es dann geht: Der Beginn der guten Zeit, in der „Frieden auf Erden bei den Menschen Gottes Wohlgefallens“ ist. Und manch einer fragt sich inzwischen: Braucht ein so wichtiges Anliegen eine im Kalender eingetragene Vorbereitungszeit? Wozu der lange Anmarsch, wenn am Tag nach Weihnachten schon wieder alles vergessen ist?

Ich mag den Advent trotzdem. Ich bereite ja als Pfarrer mit anderen zusammen auch Hochzeiten, Taufen, Abschiede vor – oft lange und in vielen Gesprächen, wo es nicht nur um die konkreten Absprachen geht. So ist der Advent für mich auch. Ich brauche dies und das in diesen Wochen, einiges Überflüssiges, manches Traditionelles, ich brauche Geschichten, die sich jemand ausgedacht hat und Lichter, die nichts richtig ausleuchten, ich brauche Musik, die mir vertraut ist, ich brauche Spendenaufrufe, auch wenn ich schon seit langem weiß, wie Spenden geht.

Ich brauche Weihnachtsfeiern, ohne dass schon Weihnachten ist. Und ich brauche Zeit, die nicht einfach austauschbar ist mit anderen Zeiten des Jahres. Darum auch mag ich den Advent. Und weil ich mich dafür nicht restlos verausgaben muss – Weihnachten wird es auch, ohne dass ich dafür in Hektik verfalle – bleibt ein Blick auf die Idee dahinter: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn“ (Neues Testament). Mit behutsamer, guter Vorbereitung werde ich verstehen, was das bedeutet: die erfüllte Zeit. Auch das ist mein Advent.

Christoph Carstens