Samba im Himmel

18. Nov 2022

„Bitte, lieber Gott: Alle unsere Verstorbenen sollen im Himmel immer Samba tanzen können.“

Ich erinnere mich gern an jene Konfi-Stunde, in der wir über das Ende des Lebens nachdachten. Was kommt nach dem Tod? Zunächst fand ich den Vorschlag der 14-Jährigen, im Himmel werde getanzt, ein wenig respektlos. Aber dann entstanden im Gespräch weitere wunderschöne Bilder. Normalerweise bringt das Thema Tod eine große Schwere. An diesem Nachmittag war sie verflogen.

Morgen ist Totensonntag. Viele von uns gehen auf den Friedhof zu den Gräbern ihrer Lieben. Sie stellen eine Christrose aufs Grab, zünden eine Kerze an. Auch in unseren Gottesdiensten brennen Kerzen für jene, die im vergangenen Jahr verstorben sind.

In diesem Jahr gehöre ich mit zu den tief Traurigen. Meine Mutter ist im August gestorben. Sie wurde 85 Jahre alt. Ich höre: Da hat sie ja ein schönes Alter gehabt. Aber ihr Tod kam zu früh, er durchkreuzte so Vieles, das sie noch vorhatte.

Stehen wir vor dem Ende eines Lebens, ist nicht selten das unser Blick: Wir sehen auf alles, was sie bzw. was er nun nicht mehr tun kann. Er wollte im Sommer doch wieder eine große Fahrradtour machen. Sie hätte so gern die Hochzeit ihres Enkels erlebt, das blaue Kleid war bereits gekauft.

Gott sei Dank gelingt uns auch die andere Perspektive. Wir schauen dankbar zurück. Wir erinnern uns daran, wie Oma auf allen Vieren durchs Wohnzimmer gerobbt ist und mit den Enkeln Topfschlagen gespielt hat. Wir sehen das Hochbeet, das Vater gebaut und von dem er noch geerntet hat.

Die Konfirmanden zeigen eine dritte Blickrichtung: Was erwartet uns, wenn wir sterben? Vielleicht ja wirklich Samba? Für meine Mutter wäre das nichts. Aber ein langsamer Walzer, getanzt mit ihrem Walter, meinem Vater? Und so sehe ich beide leise ihre Runden drehen. Und die Tränen, die mein Gesicht herunterkullern, werden plötzlich begleitet von einem vorsichtigen Lächeln.

Als Christ glaube ich daran: Der Tod ist nicht das Ende. Er ist der Anfang von etwas Neuem. Dort wird Gott alle Tränen abwischen.

Vielleicht werden wir an der Himmelstür ja sogar mit Sekt begrüßt? Vielleicht gibt es verschiedene Tanzsäle, Rave für die einen und Walzer für die anderen? Der Fußballfan darf 24/7 Fußball gucken. Die Lesehungrige kann in die Regale aller Bibliotheken der Welt greifen. Und der politisch Interessierte bekommt ein Freiabonnement für die New York Times und versteht, was in ihr steht.
Ich glaube, genau daran hat Gott Freude!

Jürgen Schilling