Christlicher Glaube mischt sich ein

06. Jul 2024

Gott will nicht hören, was er sowieso schon weiß, sondern er schaut, was mit dir und mit mir ist.

Der christliche Glaube mischt sich ein. Was so selbstverständlich klingt, war einmal eine Provokation: Christlicher Glaube, als Religionsausübung verstanden, sollte doch nicht politische und gesellschaftliche Angelegenheiten betreiben. Dafür gibt es in einem Staat andere, die diese Aufgabe wahrnehmen oder wahrnehmen sollen. Christlicher Glaube wirkt nicht als Impulsgeber für gesellschaftliche Angelegenheiten mit, sondern sammelt Christinnen und Christen zu einer Gemeinschaft des Glaubens. Und solcher Glaube ist dann vor allem eine geistliche und seelsorgerliche Angelegenheit. Dann aber: Der christliche Glaube mischt sich ein.

1990 wurde diese These vor allem durch Jürgen Schmude bekannt, den damaligen Präses der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands. Der hatte schon in den fünfziger Jahren als Politiker für eine christliche Haltung geworben, die die Verkündigung des Evangeliums auch politisch ernst nimmt.

Wie steht es heute, viele Jahre später? Die Diskussion ist immer noch im Gange. Zugespitzt sagt die eine Seite: „Mit der Bergpredigt Jesu kann man keine Politik machen.“ Und die andere setzt dagegen: „‘Glaubt ihr nicht, dann bleibt ihr nicht‘ – ein Bibelzitat, das zum politischen Handeln und zur politischen Verantwortung zwingt.“

Ist das eine moderne Form der Gretchenfrage, die das Gretchen dem Doktor Faust einst stellte: „Wie hast du’s mit der Religion“? Für unsere Zeit heute formuliert: „Hat dein Glaube irgendeine Bedeutung für unsere Welt?“ Niemand würde das mit Nein beantworten, aber das Ja erscheint auch nicht so gewiss.

Ist Glaube neben Vernunft und Sachverstand noch etwas anderes, das im Miteinander eine Rolle übernehmen sollte? Christlicher Glaube mischt sich ein, solange er zum Gebet einlädt. Es ist keine gute Gebetspraxis, wenn sie zeitlos ist. Oder anders ausgedrückt: Gott will nicht hören, was er sowieso schon weiß, sondern er schaut, was mit dir und mit mir ist. Und das macht das Gebet aus. Daher kommt die Aufforderung, sich im Glauben einzumischen.

Aus solcher Einmischung alleine wird noch keine bessere Welt. Die braucht Verständigung über Grenzen hinweg. Aber die Einmischung des Glaubens stellt wichtige Fragen, erinnert an wichtige Verantwortung und besteht auf gerechten Lösungen – und praktiziert das auch. Und der Glaube kennt so etwas wie Barmherzigkeit. Und die musste schon immer mit dabei sein, wenn das Miteinander gelingen soll.

Christoph Carstens