Versöhnung als Auftrag

24. Okt 2020

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist. Als Menschen haben wir den Auftrag, das Böse mit dem Guten zu versöhnen.

Versöhnung und Wiedergutmachung sind heikle Angelegenheiten. Ohne Fingerspitzengefühl, ohne Behutsamkeit kann ein Versöhnungsversuch scheitern. Nazi- und Stasiverstrickung, Partnerschaftskonflikte, strategische Machtspiele mit Gewinnern und Verlierern nähren unsere Erfahrungen. Ohne klare Worte und ohne die großzügige Bereitschaft, auf den eigenen Standpunkt zu verzichten, verkommt Versöhnung zur weiteren Demütigung eines Opfers.
Im Alten Testament (1. Buch Mose) ist der Diebstahl des Jacobs an Esau beschrieben. Stichwort Linseneintopf. Der Schurke Jacob riskiert später einen Versöhnungsversuch. Er kann nicht wissen, wie sein Bruder Esau nach der Kränkung des Segensdiebstahls reagiert. Er wagt es. Und er gewinnt. Jacobs Hoffnung auf Versöhnung wird belohnt. Er hat den Seelenzustand seines Bruders verstanden.
Menschen werden als Menschen zum Wolf. Zu einem wilden Tier, das jeden bekämpft. Jeden, der einem nicht in den Kram passt. Der Wolf dringt überall ein … unter Arbeitskollegen, in die Familie, zwischen die Generationen. Ebenso auf der großen Bühne. Zwischen Ethnien eines Volkes, durch den Terror, durch Machtspiele verantwortungsloser Politiker und Wirtschaftsbosse. Die Geschichte der Menschheit kann man als Abfolge von Niedertracht und Betrug lesen. Im aktuellen Film „Babylon Berlin“ erleben wir das nachdrücklich.
Liegt das Wolf-Sein in der Natur des Menschen? Eigentlich ist der Wolf solidarisch und kooperativ. Der Mensch ist genauso angelegt.
Psychologisch sind wir uns ähnlich, der Mensch und der Wolf. Der Kampf gegen alles, was anders ist. Die Solidarität mit uns Gleichem. Kooperation dort, wo neue Ziele erreichbar sind.
Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist. Als Menschen haben wir den Auftrag, das Böse mit dem Guten zu versöhnen. In der Familie, im Arbeitsleben, zwischen den Milieus einer Gesellschaft und zwischen den Alteingesessenen und den Neuankömmlingen. Wir haben alle gemeinsam einen gesellschaftlichen Versöhnungsauftrag. Der Hass auf wen auch immer benötigt unser Gesprächsangebot … unser Versöhnungsangebot. Das Gespräch, das Reden miteinander lässt uns auf einander zugehen. Es lockert festgelegte Standpunkte.
In der Bibel lesen wir, was gut ist. Das Wort Gottes ist wie ein Kompass zur Orientierung. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Egal, wer es ist. Demut, der sanfte Mut, die sensible Kraft, etwas auf den Punkt zu bringen, das wird eine angespannte Atmosphäre positiv beflügeln. Versöhnung wächst dann nach und nach. Das Gute wird belohnt.

Hans Jaekel

Hans-Christoph Jaekel, Pädagogisch-diakonischer Vorstand der Evangelischen Stiftung Neinstedt

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