Partnerschaften

02. Nov 2019

Es kommt es darauf an, was wir füreinander übrig haben, was wir füreinander einbringen, wie aufmerksam wir für die anderen sind.

Partnerschaft
Wir entscheiden uns fast täglich für Partnerschaften: Arbeitsteams, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten, Freundschaften für eine Reise, Partnerschaft mit einer Beraterin oder einem Therapeuten in der Bewältigung einer Lebenskrise, Vertragspartnerschaft beim Hausbau oder der Notar für das Testament. Ohne Partner geht es nicht. Und eigentlich sind wir auch ganz geübt darin, solche Partnerschaften einzugehen. Wenn da nicht das Bestreben wäre, mal auszuscheren und alles ganz anderes zu machen. Dann lässt man die Partner mal weg und geht selbstbewusst eigene Schritte und hat auch nicht allzuviel Sorge, sich damit auf einsamen Posten zu begeben. Die Kirchen haben beides immer wieder praktiziert: Zusammenhalt in guten und schweren Zeiten, Einig-Sein in Glaubensfragen, auch wenn jeder Mensch seinen eigenen Glauben hat. Und zugleich und immer wieder: Abgrenzung voneinander, Trennung, gegenseitige Verdächtigung und abschätzige Abkehr von denen, die lange Zeit die Partner waren. So ist es den Christen in Deutschland gegangen, als sie vor 500 Jahren die Reformation erlebten: die Suche nach dem Gemeinsamen und zugleich die Trennung zwischen katholisch und evangelisch, römisch und deutsch, traditionell und modern – oder wie immer man das Phänomen einer Kirchenspaltung bezeichnen will. Am vergangenen Donnerstag haben wir dieses Ereignisses im Jahr 1517 gedacht: Reformationstag, den manche gerne auch „Reformationsfest“ nennen. Und der Name drückt aus, was stolz behauptet wird: Die Kirche hat damals die Kurve gekriegt und sich reformiert. Sie hat sich die wahre, ursprüngliche Gestalt wieder gegeben. Wir wissen, dass es so einfach und so klar nicht gewesen ist. Auch die Reformatoren haben sich lange Jahre gegenseitig das Leben schwer gemacht, weil jeder für seine Weise die Wahrheit beanspruchte und beim anderen kein Körnchen Wahrheit zu suchen bereit war. Heute ist es anders. Christsein heißt lebendig glauben und den Glauben im Heute leben. Und das tun alle auf ihre Weise und kommen zueinander, weil viele Dinge des Glaubens gemeinsam besser zu bewältigen sind, als wenn jeder auf seine eigene Weise unterwegs ist. Kritisch wird aber heute gefragt, was dieses Gemeinsame sein könnte: der Gottesdienst, das Engagement für den Frieden, der Religionsunterricht, die Taufe, das Gedenken der Verstorbenen? Ein bisschen ratlos sind wir in unserer Zeit schon. Aber es ist wie in jeder Partnerschaft: Sie hält nur, wenn jeder bereit ist, selbst Partner zu sein. Wo viele zusammenhalten wollen, schaffen sie das auch, wenn jeder dabei ein Aktiver, eine Aktive ist. Wo nur noch alter Kitt die Leute zusammenhält, bröselt Partnerschaft schnell auseinander. Auch im persönlichen Leben ist das so. Deshalb kommt es darauf an, was wir füreinander übrig haben, was wir füreinander einbringen, wie aufmerksam wir für die anderen sind. Reformation könnte heute heißen: Mich muss nicht das ganze Universum des Glaubens ausfüllen. Für mich genügt es, wenn ich meinen Glauben beisteuern kann zu den Erfahrungen, die andere mit ihrem Glauben und ihren Zweifeln machen. Das wäre ein partnerschaftliches Christsein heute.

Christoph Carstens
Pfarrer in Quedlinburg und Westerhausen